Das Werden und Vergehen von Bergen

Fast jeder interessiert sich für Landschaften. Manche sind von der atemberaubenden Aussicht von einem Berggipfel begeistert, andere mögen liebliche Flüsse, die sich durch grüne Täler schlängeln. Was auch immer die Vorliebe ist, oft verspürt man den Wunsch, zu erfahren, wie Berg und Tal entstanden sind. Obwohl uns unsere wunderschöne Landschaft auch ohne tieferes Wissen verzaubern kann, versäumen wir viel, wenn es uns gleichgültig ist, was hinter der Gestaltung der Erdoberfläche steckt.

Lithosphärenplatten

Die Erdkruste ist ein riesiges Puzzle von felsigen Platten. (credits: commons.wikimedia.org)

Orogenese

Orogenese: die afrikanische trifft auf die europäische (eurasische) Platte und schiebt die Alpen auf

Obwohl die „Lebensspanne“ eines Berges Millionen von Jahren beträgt, gleicht er in seinem Werden und Vergehen unserem eigenen Leben, das im Vergleich dazu nur einen Wimpernschlag dauert. Berge, als Bausteine von Gebirgen, werden durch ungeheure, dramatische Kräfte geboren, streben nach oben ins Sonnenlicht, hoffen, dass ihre Gipfel mit Schnee gekrönt werden, dominieren die Landschaft und den Horizont und fallen im Alter der Verwitterung anheim, welche sie verschlingt. Die großen Bergketten der Welt wie der Himalaya oder die Alpen zeichnen Schwäche-Linien der Erdekruste nach. Die nur scheinbar starre Kruste ist in Wirklichkeit ein riesiges Puzzle von felsigen Platten, die in ständiger Bewegung sind. Jede dieser Lithosphärenplatten (von griech. líthos „Stein“ und sphära „Kugel“) ist rund 30 bis 50 Kilometer dick und „schwimmt“ auf einem Meer von festem, aber plastischem, 3500 °C heißen Gestein, dem Erdmantel, und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei bis zwanzig Zentimeter pro Jahr. Die Platten driften auseinander und aufeinander zu, schieben sich eine unter die andere und falten sich an ihren Rändern zu gewaltigen Gebirgen auf. So wird ungeheuer viel Energie und Druck aufgebaut, welche sich in Form von Erdbeben und Vulkanen entladen kann. Diese Gebirgsbildung nennt der Geologe Orogenese (von griech. óros „Berg“ und génesis „Entstehen“). Beim Zusammenschieben der Platten entsteht große Hitze in der Erdkruste. Lokal wird das Gestein geschmolzen, welches langsam aufsteigt, und so die Orogenese noch verstärkt. Die Gebirge steigen an. Die Hebung erfolgt mit einer Geschwindigkeit von wenigen Millimetern pro Jahr, aber angesichts der enormen Zeitspanne, werden so hohe Bergketten erzeugt. Auch heute noch drückt die afrikanische Platte im Süden auf die europäische im Norden und zwingt die Alpen in immer größere Höhen. Tausende von Metern könnten so die Berge in die Höhe wachsen, viel höher, als die größten Bergriesen im Himalaya, die bekanntlicher Maßen bis 8850 m in die Luft ragen, wenn nicht, ja wenn nur nicht sofort die Naturkräfte angriffen und die Hebung stetig zunichte machten. Naturkräfte, die alles auf ein einheitliches Niveau angleichen möchten.

Berge werden abgetragen

Bergketten werden durch die Wirkung von Sonne, Regen, Frost, Schwerkraft und andere Faktoren langsam aber stetig abgetragen. Die markanten Umrisse formen sich zu glatten, sanften Hängen, zu abgerundeten Bergen, werden mit Vegetation bekleidet. Markante Felsgipfel wandeln sich zu lieblichen Hügeln. So erkennt man auch das Alter eines Berges. Der Wilde Kaiser, schroff und majestätisch, ist viele Millionen Jahre jünger als die Grasberge der Kitzbüheler Alpen, nahezu 400 Millionen Jahre jünger. Dieses Zusammenspiel aus chemischen und physikalischen Faktoren, aus Verwitterung und Erosion wird Denudation genannt (von lat. denudare „entblößen“). Wenn Felsen den Strahlen der Sonne ausgesetzt sind, heizen sich ihre oberflächennahen Schichten stärker auf und neigen dazu, abzublättern. Lose Gesteinspartikel und einzelne Mineralien werden durch Regengüsse weggewaschen. Das Material wird von Bächen abtransportiert und im Flachland, dort wo die Kraft der Flüsse schwächer wird, wieder angehäuft. So werden die Berge immer niedriger und das Vorland immer höher, bis so tatsächlich ein einheitliches Niveau entstehen könnte. Doch Regen hat noch einen anderen Einfluss, er hat auch eine chemische Wirkung. Wenn er durch die Atmosphäre fällt, absorbiert er in geringem Maße das natürliche Kohlendioxid der Luft und wandelt sich zu Kohlensäure, womit jeder Niederschlag auch schwach sauer wirkt. Eine höhere Luftverschmutzung lässt ungleich mehr sauren Regen entstehen. Das leicht saure Wasser sickert in den Untergrund und löst bestimmte Mineralien in seine Bestandteile auf. Besonders Kalk ist relativ leicht löslich, das Wasser schafft ausgeprägte Rinnen und Löcher. Das ist auch der Grund, warum Kalkberge immer schroffer wirken, als Gebirge aus anderen Gesteinen.

Gesteine sind rissig und klüftig. Dringt Wasser in der kalten Jahreszeit ein, friert es. Eis expandiert mit einer ungeheuren Kraft, es kommt zu Frostsprengung, womit der Fels weiter zerstört wird. Besonders in großen Höhen, wo es extreme Frost-Tau-Wechsel gibt, können so ganze Berggipfel abgesprengt werden. Dies führt zu gewaltigen Bergsturzereignissen. Frost ist die auffälligste Form der Erosion. Ganze Horizonte können innerhalb weniger Minuten ein anderes Erscheinungsbild erhalten. Am Fuß der Berge entstehen so Schuttfelder und lockere Halden, die nun noch viel leichter von Wasser und Schwerkraft weiter zerkleinert werden können. Erdrutsche können entstehen. Erdbeben, die häufig entlang von Schwächezonen in der Erdkruste auftreten, somit eben auch in Gebieten mit einer fortlaufenden Orogenese, tun ihr übriges.

Wollen wir über Wind und Gletscher reden. Wind entfernt losen Staub und Sand von den Bergen. Erdreich wird fortgetragen und die Oberflächen des Gesteins freigelegt, womit wieder leichter die anderen Abtragungsfaktoren angreifen können. Und die Wirkung des Windes selbst ist viel größer, wenn er mit winzig kleinen, scharfkantigen Gesteinspartikeln angereichert ist. Nun wird geschliffen und poliert. Neues Gesteinsmehl entsteht, welches selbst wieder schleift und poliert. Als in der letzten globalen Kaltzeit tausende Meter Eis unsere Alpen bedeckte, spielten sich tief im Inneren der Gletscher dramatische Szenen ab. Unbarmherzig zerrieb, sprengte und drückte das Eis seinen felsigen Untergrund. Nach dem Abschmelzen war nichts mehr wie vorher, die Berge wurden gerundet und geschliffen.

Der schroffe, daher junge Wilde Kaiser und die gerundeten, daher alten "Grasberge" der Kitzbüheler Alpen.

Wenn du das nächste Mal auf einem Berggipfel stehst und die Erhabenheit der Landschaft genießt, so denk daran, dass du hier nur einen kurzen Augenblick erlebst, dass die Berge und Täler einer fortlaufenden Änderung unterworfen sind und nichts von Bestand ist. Uns Menschen sind einige Jahrzehnte geschenkt, doch für die Berge sind wir nur eine flüchtige, kurze Episode in ihrem Jahrmillionen andauernden, dramatischen Kampf vom ersten Aufbäumen der Erdkruste bis zum Zerbröseln durch die alles beherrschenden Naturkräfte.

Interessante Links zum Thema

Animation Plattentektonik: Geology : Plate Tectonics

Entstehung der Alpen: Tektonische Entwicklung der Alpen

 

 

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