Wie sind diese langgezogenen Hügel vor dem Schwarzsee entstanden?

Wenn du an heißen Tagen der Hitze entfliehen möchtest und du dich deshalb entscheidest, am Schwarzsee Abkühlung zu suchen, so wirst du – von Kitzbühel beginnend – unweigerlich an diesen langgestreckten Hügeln vorbeikommen. Am besten sieht man sie zu Fuß oder vom Rad aus, doch auch aus dem Auto erkennt man die interessante Landschaftsform. So mancher hat sich schon gefragt, wie diese Hügel wohl entstanden sein mögen.

Handelt es sich um Reste früherer Bautätigkeit, vielleicht sogar um die Grundfesten einer mittelalterlichen Burg oder etwa um bronzezeitliche Hügelgräber? Weit gefehlt! Diese Hügel sind auf natürliche Weise entstanden. Der „Baumeister“ war die letzte große Eiszeit, die „Würm“-Eiszeit, welche nicht nur für diese Hügel verantwortlich ist, sondern generell unsere so vertraute Landschaft geformt hat.

Ich will dich nun nicht länger auf die Folter spannen: Diese schlangenförmigen Hügel nennt man Oser (Einzahl Os). Dieses Wort ist eine Eindeutschung des dänisch-schwedisch-norwegischen Begriffs Ås. Andere Namen dafür sind Wallberg oder Esker. Aber wie sind denn nun diese Oser am Schwarzsee entstanden? Während des höchsten Eisstandes in der Eiszeit bedeckte ein bis zu 1000 m mächtiger Gletscher unsere Täler. Das Eis floss von den Hohen Tauern über den Pass Thurn und unser Großachental, verband sich beim Schwarzsee mit dem kleineren Aschauer Achental Gletscher und strömte über das Bichlach nach St. Johann, wo er weitere Seitengletscher aus Going und Fieberbrunn aufnahm. Das ist die einfache Beschreibung. Nur leider war es nicht so einfach. Da die Gletscher unterschiedlich stark waren, unterschiedlich schnell flossen und so manches Jahrtausend lang der immer wieder besonders mächtige Inngletscher bis nach Kirchberg und St. Johann hereindrängte, entstand ein verwirrender, sich überlagernder und komplexer Eisstromkörper, der in seinem Untergrund fleißig am Fels nagte und Geröll und Sand schuf.

Der letzte Os-Hügel vor dem See.

Der letzte Os-Hügel (zum Vergrößern anklicken).

Langgestreckte Oser. Die Gletscherspalten waren nicht in den Senken zwischen den Hügeln. Die Hügel selbst markieren den Verlauf der Spalten.

Langgestreckte Oser (zum Vergrößern anklicken).

 

 

 

 

 

 

 

 

Insbesondere, als die Hauptvereisung zurückging und in den Tälern Einzelgletscher zurückließ, kam es zu einer wiederholten Richtungsänderung des Gletscherflusses im Bereich des Schwarzsees. Es ist dir sicher schon aufgefallen (vor allem, wenn du mit dem Rad fährst), dass man, von Kitzbühel kommend, eine flache Passschwelle überquert. Zuvor fließt noch der Pfarraubach Richtung Stadt, gelangt man zu den ersten Osern, strömt das Wasser Richtung Schwarzsee, der bekanntlichermaßen seinen Abfluss Richtung Reither Ache hat. Über diese Passschwelle oszillierte (hin und her schwingen) das abschmelzende Gletschereis viele Male in beide Richtungen. Zunehmend verlor das Eis immer mehr an Kraft und so konnten lockere Ablagerungen aus Geröll und Sand liegen bleiben und wurden nicht mehr vom Gletscher abtransportiert.

Phase 1

In den Gletscherspalten werden Geröll und Sand durch Schmelzwasser abgelagert.

Jeder kennt Gletscherspalten, diese tückischen und faszinierenden Brüche im Eis. Wenn das Eis in seinem Fluss gestört ist, reißt es oft auf. Durch das andauernde hin und her und den Widerstand der Passschwelle, entstanden hier besonders viele und tiefe Spalten. Manche rissen das Eis sogar bis zu seinem Grund auf. Schmelzwasser folgte bevorzugt dem Spaltengewirr, nahm Steine und Sand mit und lagert dieses Geröll in den Gletscherspalten ab.

Phase 2

Nach dem Abschmelzen des Gletschers bildet das ausgeaperte Geröll aus den Gletscherspalten schlangenförmige Oser.

Das endgültige Ende der Eiszeit ist gekommen. Der Kitzbüheler Achentalgletscher reicht nur mehr bis Jochberg, der Aschauer Achentalgletscher endet noch vor der Skirast, aber beim Schwarzsee, auf der Passschwelle liegt noch ein letzter Rest schmutzigen Eises. Man nennt es jetzt Toteis. Es ist fast so, als könne sich dieses Eis nicht entscheiden, in welche Richtung es abschmelzen soll. So schmilzt es einfach vor Ort, verliert immer mehr an Substanz und gibt den Schotter-Steine-und-Sand-Schutt aus den Gletscherspalten frei. Da es von Schmelzwasser transportiert und abgelagert worden ist, liegt das Geröll schön geschichtet vor. Und wie sehen diese Schuttkörper nun aus? Sie sind schlangenförmig, lang gestreckt, kreuzen sich teilweise, sind immer sanft geneigt und rund geformt. Genau so, wie ein Os eben aussieht.

Wenn du das nächste Mal zum Schwarzsee fährst, halte inne und mache dir bewusst, dass diese Oser vor dem See genau die Form mehrerer, sich kreuzender Gletscherspalten nachzeichnen. Falls du manchmal „Wildbaden“ gehst, kennst du auch die niedrigen Hügel an der Nordseite des Sees. Auch dies ist ein kleiner, unterbrochener Os. Lege dich auf ihn in die Sonne, um die Wärme zu genießen, so liegst du gleichzeitig auf den dreckigen Resten einer Gletscherspalte!

Ach ja, als das Toteis vollkommen abgeschmolzen war, blieben nicht nur Oser zurück, sondern auch ein Toteisloch, welches sich mit Wasser füllte. Der Schwarzsee war geboren. Aber das ist eine andere Geschichte!

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