Was sind Ponore und wo kann man sie sehen?

Ganz einfach: Ponore sind Schlucklöcher. Doch da dieser Ausdruck missverständlich sein kann – verwendet man ihn doch auch, um trinkfreudige Damen und Herren zu bezeichnen – bleiben wir lieber beim Fachausdruck.  Das Wort Ponor (die Betonung liegt auf der zweiten Silbe) stammt aus dem südslawischen und beschreibt ein natürliches Karstphänomen. Ein Ponor ist eine Öffnung an der Geländeoberfläche, in die oftmals Wasser abfließt und der ganze Bäche schlucken kann. Ponore sind mit Dolinen und Höhlen verwandt. Mit Karst bezeichnet man unter- und oberirdische Geländeformen, die durch Auslaugung und Lösung von Karbonatgestein (Kalk und Dolomit) entstanden sind. Reines Wasser, wie z.B. Regenwasser, ist neutral und kann eigentlich kaum Karbonate lösen. Wenn Wasser aber mit Kohlendioxid angereichert wird, bildet sich aggressive Kohlensäure. Ja, genau derselbe Stoff, den du in deinem Lieblingshopfengetränk vorfinden. Durch die Kohlensäure erhöht sich die Lösungsfähigkeit des Wassers stark und das Gestein wird aufgelöst.

Entstehung eines Ponors: Geweitete Kluftflächen und Hohlräume lassen die Oberfläche einbrechen. Ein typisches „Schluckloch” entsteht.

Entstehung eines Ponors: Geweitete Kluftflächen und Hohlräume lassen die Oberfläche einbrechen. Ein typisches „Schluckloch” entsteht.

Wie kommt nun aber das Kohlendioxid in das Wasser? Natürlich kann es in geringem Maße Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen, welche einen Anteil von 0,03% enthält. Hauptsächlich geschieht die Anreicherung aber, wenn sich Sickerwasser seinen Weg durch die Bodenschichten bahnt. Es mag erstaunlich klingen, aber die im Boden eingeschlossene Luft enthält bis zu 25% Kohlendioxid. Und je stärker Bodenvegetation vorhanden ist, desto stärker kommt es zur Verkarstung, da mehr Kohlendioxid gebildet wird.

Bei Karbonatgestein denkt man bei uns zuerst an die Kalkalpen, wie das Kaisergebirge, die Waidringer Steinplatte oder die Loferer Steinberge, welche St. Ulrich spektakulär überragen. Und ja, diese Gebirgsstöcke weisen auch mehr oder weniger stark ausgebildete Karsterscheinungen auf. Doch finden sich die schönsten Ponore im Bezirk in den Grasbergen der Kitzbüheler Alpen und zwar am Kitzbüheler Horn. In den Kitzbüheler Alpen gibt es nicht nur die bekannten Schiefergesteine, sondern eben auch Karbonatgesteine der Kalke und Dolomite aus dem Erdaltertum. Zwar sind die Dolomite, welche den Felsgipfel des Kitzbüheler Horns formen, etwa 350 Millionen Jahre älter, als jene des Kaisergebirges, doch sind sie genauso verkarstungsfähig. Oder  besser gesagt, gerade deswegen!

Um das zu verstehen, müssen wir und den Unterschied zwischen Kalk und Dolomit ansehen. Warnung: jetzt kommen chemische Formeln!

Kalk ist Calciumkarbonat, also CaCO3.

Dolomit ist Calcium-Magnesiumkarbonat, also CaMg(CO3)2.

Dolomit ist im Vergleich zum Kalk wegen des zusätzlichen Magnesiums viel härter und sehr viel spröder. Doch weil der Dolomit am Horn hunderte Millionen Jahre mehr Zeit hatte, sich aufzulösen, konnten sich dort zahlreiche und wunderschöne Ponore bilden. Nun mag sich mancher fragen, warum gibt es am Horn dann nicht spektakuläre Höhlensysteme, wie in den Kalkalpen. Hier kommt wieder die größere Härte des Dolomits ins Spiel. Wegen ihr ist Dolomit feinklüftig. Kalk hingegen hat zwar weniger Klüfte, die sind aber grob und mächtig ausgebildet. Die gleiche Menge Sickerwasser dringt in Dolomit nicht so tief ein, wie in Kalk. Deshalb bilden sich in Kalk oftmals monumentale Höhlen bis hunderte Meter in die Tiefe und in Dolomit kleinere Ponore.

Die gleiche Menge Wasser dringt bei Dolomit nicht so tief ein, wie bei Kalk. Die Sickerwassersättigungslinie liegt im Kalk also bedeutend tiefer.

Die gleiche Menge Wasser dringt bei Dolomit nicht so tief ein, wie bei Kalk. Die Sickerwassersättigungslinie liegt im Kalk also bedeutend tiefer.

Nun bin ich dir noch die Beantwortung der zweiten Frage im Titel schuldig: Wo kann man Ponore selbst sehen? Am Kitzbüheler Horn befindet sich in der Trattalmmulde der Karstweg. Er ist bequem in zehn Minuten vom Alpenhaus aus erreichbar. Auf dem rund zwei Kilometer langen Rundweg wirst du nicht nur zu traumhaften Aussichtspunkten geführt, sondern auch zu zahlreichen Ponoren. Wenn du von den Seilbahnstationen einen Folder mitnimmst, so kannst du unterwegs nachlesen, was du siehst. Das Highlight des Karstwegs ist die so genannte Weanerstadt. Hier reiht sich Ponor an Ponor, bildeten sich steil stehende, zylindrische, kessel-, schacht- und trichterartige Vertiefungen, und man kann Blicke tief ins Erdinnere werfen.

In der Weanerstadt findet man bei jedem Felsen einen Ponor.

Die Weanerstadt (zum Vergrößern anklicken).

Sichere Stege führen in der Weanerstadt über die Ponore.

Sichere Stege (zum Vergrößern anklicken).

 

 

 

 

 

 

 

 

Der chemische Lösungsprozess dauert übrigens immer noch an, und jedes Jahr erweitern sich die Ponore und es entstehen neue „Schlucklöcher“. Das Kitzbüheler Horn und die Trattalmmulde sind reich an geologisch faszinierenden Phänomenen, und der interessierte Wanderer wird unsere bekannte Heimat mit anderen Augen sehen lernen.

Übrigens: Wenn das Wasser im Gestein zu viel Kohlendioxid enthält, gast die Kohlensäure aus und das im Wasser gelöste Karbonat kristallisiert wieder aus. Es bilden sich prächtige Versinterungen und Tropfsteine. Aber das ist eine andere Geschichte!

Eine Antwort zu “Was sind Ponore und wo kann man sie sehen?

  • Fritz Meier
    3 Jahrenvon

    Sehr interessant durchzulesen und neues zu lernen. Neulich bin ich auch bei wandern über einen Ponor gestoßen und habe ihn mir mal ganz genau angesehen. Sehr toll was mutter erde so hervorbringt. Viele Grüße euer Fritz

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