Wie entsteht der typische Geruch von Regen?

Diesen Sommer durfte sich niemand über zu große Trockenheit beklagen. In schöner Regelmäßigkeit wurden wir mit kühlendem Nass von oben beglückt. Dabei konnte man trotzdem fast jedes Mal jenen Regengeruch wahrnehmen, der besonders markant auffällt, wenn die ersten schweren Tropfen auf den Boden fallen. Die meisten Leute lieben diesen Geruch. Man verbindet ihn mit Frische, Reinheit und angenehmer Kühle. Doch Wasser selbst riecht nicht. Also was genau verursacht dann dieses erquickende Aroma?

Der Geruch von Dreck und Steinen

Ungeachtet der Tatsache, dass wir den Geruch als frisch und rein wahrnehmen, kommt ein Großteil des Geruchs überraschenderweise von Dreck und Steinen. Der Regengeruch hat sogar seinen eigenen wissenschaftlichen Namen, Petrichor, von den altgriechischen Begriffen „Petros“, Stein, und „Ichor“. Mit dem Namen Ichor wird in der griechischen Mythologie jene Flüssigkeit bezeichnet, welche die Götter statt des Blutes der Menschen durchströmt.

Obwohl der Begriff „Stein“ beinhaltet, sind diese nicht die Quelle des Geruchs selbst. Hauptsächlich stammt er von Pflanzen. Besonders während längerer Trockenphasen geben manche Pflanzen Fettsäuren an ihre Umgebung ab. Manche davon sind Ihnen vielleicht sogar als Inhaltsstoffe von Nahrungsmittel bekannt, wie zB Palmitinsäure oder Talgsäure. Pflanzen geben diese Fettsäuren ab, wenn es länger trocken ist. Diese Säuren wirken leicht toxisch auf den Untergrund rund um die Pflanze, so dass andere Samen nicht keimen können und daher mehr vom lebenswichtigen Nass der Pflanze bleibt. Sie bekämpfen somit Konkurrenz wegen des wertvollen Wassers. Im Laufe der Zeit baut sich eine messbare Schicht dieser Säuren auf Erdkrümel, Steinen und Felsen auf. Fällt dann Regen, geschieht Folgendes: Mikroskopisch betrachtet entstehen kleinste Wasserbläschen auf jenen Oberflächen, auf die die Tropfen fallen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen zerplatzen diese Bläschen wieder, wodurch die an den Oberflächen haftenden Fettsäuren in die Luft gewirbelt werden, und diese zwingen, duftende Molekülverbindungen abzugeben, die für uns frisch, pflanzlich und einfach angenehm riechen.

Geosmin Strukturformel
Geosmin Strukturformel

Aber das ist nur eine Komponente des Regengeruchs. Petrichor enthält auch eine Chemikalie mit dem hübschen Namen Geosmin, die von Bodenbakterien abgegeben wird. Geosmin ist ein natürlich vorkommender Alkohol. Die Substanz besitzt einen ausgeprägt erdig-muffigen Geruch und Geschmack, und ist für die als typischer Bodengeruch wahrgenommene Empfindung, aber auch für den Geruch von Schimmelpilzen verantwortlich. Der menschliche Geruchssinn reagiert auf Geosmin hochsensibel; die Geruchsschwelle liegt bei 0,1 ppb. Der englische Ausdruck parts per billion (ppb) steht für „Teile pro Milliarde“, also Milliardstel. Auch für den charakteristischen Geruch von „erdigem Wein“ ist Geosmin verantwortlich. Bestimmte Bodenbakterien geben Geosmin ab, wenn sie sterben oder in Trockenstarre verfallen, also besonders an heißen und trockenen Tagen. Fällt dann Regen darauf, wird das Geosmin in einem feinen Sprühnebel in die Umgebung zerstoben.

Ozon spielt auch eine Rolle

Wenn du also Petrichor gewahrst, riechst du Verbindungen und Chemikalien von Lebewesen, die diese produziert haben, um heiße oder trockene Wetterperioden besser zu überstehen. Das erklärt auch, warum der Regengeruch besonders gut wahrnehmbar ist, wenn es länger nicht mehr geregnet hat. Vorausgesetzt, du befindest dich in der Natur, wo es Pflanzen und natürlichen Erdboden gibt. In der Stadt mit ihren asphaltierten Wegen und Plätzen ist Petrichor so gut wie nicht existent.

Und es gibt einen weiteren Regenduft, den man sogar schon riechen kann, noch bevor es regnet: Ozon. Es ist zwar nur ein Sauerstoffmolekül, hat aber einen derart unverwechselbaren Geruch, dass sein Name von dem altgriechischen Wort „ozein“, riechen, abgeleitet worden ist. Ozon oder O3 – und wir sprechen hier von bodennahem Ozon, nicht von jener Ozonschicht hoch in der Atmosphäre, die unseren Planeten vor gefährlicher UV-Strahlung schützt – entsteht während Gewittern durch die Einwirkung von Elektrizität, folglich Blitzschlägen. „Normaler“ Luftsauerstoff besteht aus O2-Molekülen, also aus zwei Sauerstoffatomen. Blitze (also Elektrizität) können diese O2-Moleküle auseinanderreißen, und die so entstehenden, freien Sauerstoffatome verbinden sich mit anderen O2-Molekülen zu O3. Ozon hat einen belebenden, erfrischenden Geruch.

Ozon
Ozon

Und der Schneegeruch?

Weil es gut zum Thema passt, will ich hier auch kurz darauf eingehen, warum man gleichfalls glaubt, im Winter Schnee riechen zu können. Wenn man sagt, es riecht nach Schnee, meint man, dass es wohl bald zu schneien beginnen wird. Interessanterweise hat dieser Geruchssinn nichts mir Petrichor zu tun, sondern eher mit dem Gegenteil, also mit der Absenz von Gerüchen. Wie ist das zu verstehen? Schnee reinigt die Luft, da er Aerosole, Staubteilchen, Ruß und andere Partikel bindet, ja sogar zur Kristallisation von Schneekristallen benötigt (vgl. den Narrotibi-Artikel „Was ist das schmutzige Geheimnis von Schnee?“ www.narrotibi.com/schnee). Der natürliche Geruchsmix der Luft ist daher nicht mehr wahrnehmbar, und sein Fehlen lässt unser Gehirn einen Geruch empfinden, der nicht wirklich existiert; es erzeugt bei uns diesen scheinbaren Duft nach Reinheit.

Wenn es das nächste Mal zu regnen beginnt, nimm dir einen Moment Zeit zum Innehalten, atme tief ein – und rieche die Chemikalien des Petrichor.

Hast du Fragen zum Thema, dann schreibe sie einfach unten in die Kommentare. 

Eine Antwort zu “Wie entsteht der typische Geruch von Regen?

  • Ich liebe diesen Sommer-Regen-Duft! So schade, dass er nur selten zu riechen ist. Einfach zauberhaft und erinnert einen an ein Märchen.

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