Kennst du Kammeis?

Fast jeder hat es schon gesehen, alle sind davon fasziniert, aber nur wenige wissen, wie Kammeis entsteht. Kammeis ist kein eingefrorenes Haarpflegeinstrument, es ist auch keine festgefrorene Wechte an einem ausgesetzten Bergkamm.

Eingefrorene Haarpflegeinstrumente sind kein Kammeis.

Das ist kein Kammeis! (zum Vergrößern anklicken).

Auch das ist KEIN Kammeis.

Nein, absolut KEIN Kammeis! (zum Vergrößern anklicken).

 

 

 

 

 

 

 

 

Kammeis, auch Nadeleis oder Pipkrake (aus dem Schwedischen; dieser Ausdruck wird international verwendet) genannt, sind dünne, nadelförmige Eiskristalle, die senkrecht zur Erdoberfläche entstehen. Sie können dabei bis zu 30 cm lang werden, wobei sie in unseren Breiten meist nicht länger als 10 bis 12 cm werden. Die Nadeln sind dabei immer gebündelt und tragen häufig einen Erdkrümel wie einen kleinen Hut an ihrer Spitze. Wenn man genau hinsieht, kann man auch innere Strukturen in solchen Eisnadeln erkennen.

Feine Eisnadeln mit einem Erdkrümel als Hütchen an ihrer Spitze

Das ist Kammeis (zum Vergrößern anklicken).

Wie entsteht nun dieses faszinierende Phänomen?

Damit Kammeis entstehen kann, braucht es einige Zutaten und das richtige Wetter. Zuerst zu den „Zutaten“: Der Boden muss weitgehend feinkörnig sein, zB ist ein kiesiger oder sandiger Humus oder Lehm geeignet. Er sollte locker und feucht sein. Zudem muss der Untergrund feine Poren besitzen. Oftmals sind diese nur Millimeter klein. In die Poren dringt nun Wasser ein. Selbst bei trockenem Wetter bleibt das Wasser darin häufig bestehen. Und natürlich muss der Boden frei von Vegetation sein. – Nun zum Wetter: Im Spätherbst, wenn noch keine geschlossene Schneedecke vorliegt, die jedes Kammeis unweigerlich zerstören würde, aber schon kalte Nächte mit Frost vorherrschen, ist die beste Zeit, um diese außergewöhnlichen Eisnadeln zu beobachten. Gleichzeitig darf der Frost aber nicht zu stark sein, damit der Boden noch nicht gefriert. Der Untergrund muss also Temperaturen von knapp über 0° haben, die Lufttemperatur liegt dabei knapp bis deutlich unter 0° Celsius.

Während einer Frostnacht friert zuerst das Wasser unmittelbar knapp unter der obersten Bodenschicht. Da sich Eis ausdehnt (jeder weiß, was passiert, wenn man eine volle Getränkeflasche einfriert: sie platzt, weil das Eis Platz braucht), wölbt es sich wenige Millimeter nach oben. Dadurch entsteht unter diesen klitzekleinen Eiskörnern ein geringer Unterdruck. Dieser Unterdruck saugt weiteres Wasser aus den feinen Poren im Boden an und sorgt für Nachschub. Zur Erinnerung: wir sind immer noch knapp unter der obersten Bodenschicht! Irgendwann wird der Druck durch das Wachstum der Eisnadeln zu groß und ein kleiner Bodenkrümel wird mit dem Eis angehoben. Nun geht es sehr rasch, weil die noch kleinen Eisnadeln an die frostige Luft gelangen. Immer rascher wächst nun das Kammeis. Innerhalb weniger Stunden entstehen diese 10 cm langen, gebündelten Eisnadeln, die auch auf den Fotos zu erkennen sind.

Die Entstehung und das Vergehen von Kammeis

zum Vergrößern anklicken

Irgendwann stagniert das Wachstum, selbst wenn es weiterhin eiskalt bleibt, denn mit größerer Entfernung vom „warmen“ Boden frieren die Bodenkrümel fest aneinander. Somit werden diese Gebilde zu kompakt und schwer, so dass kein Höherwachsen mehr möglich ist. Es kann auch sein, dass einfach das gesamte Wasser aus den Poren gezogen und ausgefroren ist. Gegen Ende der Nacht lassen sich die Eisnadeln schließlich nicht mehr einzeln ablösen.

Nach dem Sonnenaufgang erwärmt sich die Luft rasch, der Boden aber nur zögernd. Je nachdem, wie kalt es ist, und ob man sich im Schatten oder der Sonne befindet, schmelzen die wunderschönen Nadeln schon am Morgen oder erst am späten Vormittag büschelweise. Das Wasser dringt wieder in die Poren ein. Die Erdkrümel lösen sich voneinander, fallen dabei nach unten und rollen ein wenig den Hang hinab. So können in subarktischen Gebieten ganze Hänge langsam versetzt werden. Wenn sich die Temperatur der Luft tagsüber so weit erhöht, dass ein massives Frieren des Bodens verhindert wird, geht es in der nächsten Nacht wieder von vorne los. Hat man also an einer Stelle Kammeis angetroffen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, hier am nächsten Tag wieder welches vorzufinden.

Mit dem Kammeis eng verwandt ist das so genannte Haareis. Dieses entsteht nicht auf porösem Boden, sondern auf meist morschem Altholz durch ähnliche Prozesse, wobei hier noch ein spezielles Pilzgeflecht mithilft, welches im Totholz wächst. Haareis ist üblicherweise dünner und viel filigraner.

Wolleis oder Haareis, welches aus totem Holz herauswächst (Foto: Ronald Huizer, common creative license)

Haareis (zum Vergrößern anklicken).

Die Fotos hier und in der Galerie habe ich übrigens im 28. November 2014 und am 25. November 2015 in Kitzbühel aufgenommen (mit Ausnahme des Haareisfotos). Wenn du also das nächste Mal an einem sonnigen Morgen oder Vormittag nach einer Frostnacht in der Natur unterwegs bist, so halte die Augen offen, und blick nach unten. Vielleicht trittst du ja gerade auf Kammeis.

Mehr zum Thema erfährst du hier:

 Mehr zum Thema – Kammeis selbst herstellen

 Zur Bildergalerie Kammeis

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